Lichtverschmutzung macht Fische ängstlich
Künstliches Licht in der Nacht verändert das Verhalten von Fischen bis in die nächste Generation
Wenn Fische nachts künstlichem Licht ausgesetzt sind, ändern sie ihr Verhalten. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschenden am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz. Zebrafische, die neun Nächte lang unter künstlichem Licht unterschiedlicher Wellenlängen gehalten wurden, verhielten sich daraufhin tagsüber ängstlicher. Blaues Licht hatte die schnellste und stärkste Wirkung auf das Verhalten der Fische. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass Lichtverschmutzung lang anhaltende Folgen haben kann: Selbst der Nachwuchs der Fische schwamm weniger, obwohl die Jungtiere selbst nie nachts Licht ausgesetzt waren.
Künstliches Licht in der Nacht erhellt Orte, die sonst dunkel wären. Man weiß heute, dass es den natürlichen Rhythmus biologischer Abläufe stört, die durch Licht- und Dunkelzyklen koordiniert werden. „Künstliches Licht in der Nacht stört vor allem den Schlaf von Tieren. Deshalb wollten wir wissen, wie es sich auf ihr Verhalten und letztlich ihre Fähigkeit zu überleben auswirkt“, sagt Wei Wei Li, die die Arbeit als Doktorandin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie durchgeführt hat.
Die Forschenden untersuchten neun verschiedene Wellenlängen im sichtbaren Spektrum sowie weißes Licht. Die Lichtstärke in der Studie lag bei 20 Lux. Sie entsprach damit dem, was Tiere nachts durch künstliche Lichtquellen ausgesetzt sind.
Nach acht Nächten schwammen die Fische bei allen Wellenlängen weniger, hielten enger zusammen und verbrachten mehr Zeit in der Nähe der Aquarienscheibe. Letzteres ist bei Tieren ein Indiz für Angst. Blaues Licht wirkte sich bereits nach fünf Tagen aus. Licht der Wellenlänge 470 Nanometer wirkte am stärksten. „Auch beim Menschen beeinflusst das blaue Licht elektronischer Displays unseren Schlaf und möglicherweise auch andere Zyklen massiv“, sagt Co-Autor Aneesh Bose vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie.
Wie nächtliches Licht das Verhalten der Fische verändert, ist noch unklar. Die Forschenden vermuten aber Schlafentzug als Ursache. Dazu passt, dass die Fische nicht sofort, sondern erst nach fünf bis acht Nächten ihr Verhalten ändern. „Die Fische können zwar ein paar Nächte ohne Schlaf auskommen, aber irgendwann zeigen sich die Folgen des Schlafmangels“, erklärt Bose, der jetzt als Forscher an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften tätig ist.
Langfristige Veränderungen
Die Lichtverschmutzung wirkt sich zudem nicht nur auf die unmittelbar betroffenen Individuen aus, sondern auch auf die nächste Generation. Nachdem die weiblichen Zebrafische nachts künstlichem Licht ausgesetzt worden waren, durften sie sich fortpflanzen. Das Team zog die Nachkommen zunächst unter natürlichen Lichtbedingungen auf. Nach 15 Tagen testeten die Forschenden das Schwimmverhalten der Fischlarven mit einer Tracking-Software, mit deren Hilfe sie das Aktivitätsniveau der winzigen Fische messen konnten. Dabei zeigte sich, dass sich auch die Nachkommen tagsüber weniger bewegten, obwohl sie selbst nachts nie Licht ausgesetzt waren. „Die Lichtverschmutzung stört das natürliche Verhalten der Fische, und diese Störung kann Auswirkungen auf die Fitness und Leistung haben“, sagt Ming Duan, der Letztautor der Studie vom Institut für Hydrobiologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.
Um die schädlichen Auswirkungen von künstlichem Licht in der Nacht auf Wildtiere zu mildern, sollte besonders darauf geachtet werden, welche Wellenlängen Lichtquellen ausstrahlen. „Viele der Orte, die wir nachts beleuchten, befinden sich in der Nähe von Lebensräumen von Tieren. Deshalb sollten wir möglichst dort auf Lichtquellen mit hohem blauen Lichtanteil verzichten, wo Tiere versuchen zu schlafen“, sagt Duan.