Forschungsbericht 2024 - Max-Planck-Institut für Astronomie
Missing Link der schwarzen Löcher
A missing link in black hole evolution
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Omega Centauri ist eine dichte, kugelförmige Ansammlung von etwa zehn Millionen Sternen, die als leuchtender Fleck am südlichen Nachthimmel sichtbar ist. Auf den ersten Blick sieht er nicht anders aus als andere sogenannte Kugelsternhaufen. Wir konnten nun bestätigen, was Forschende schon seit Längerem vermutet hatten: Omega Centauri enthält ein schwarzes Loch.

Das Objekt ist zudem ein bisher fehlendes Bindeglied zwischen den schwarzen Löchern an den beiden extremen Enden der Massenskala. Es befindet sich in einem Zwischenstadium der Entwicklung und ist deutlich weniger massereich als typische schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien. Omega Centauri ist daher offenbar der Kern einer kleinen, eigenständigen Galaxie, deren Entwicklung abrupt aufhörte, als sie von unserer Milchstraße verschluckt wurde.
Wir kennen für schwarze Löcher unterschiedliche Massenbereiche. Stellare schwarze Löcher – die Endstadien schwerer Sterne – mit bis zu einigen Dutzend Sonnenmassen sind vergleichsweise zuverlässig erforscht, ebenso wie supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien mit Massen von Millionen oder sogar Milliarden Sonnen. Das heutige Bild von der Evolution der Galaxien geht davon aus, dass die frühesten Galaxien zentrale schwarze Löcher mittlerer Größe besaßen. Im Laufe der weiteren Entwicklung wuchsen die schwarzen Löcher mit den Galaxien durch das Aufsammeln von Materie. Das geschah vermutlich, indem sie sich kleinere Galaxien einverleibten, wie es unsere Milchstraße mehrmals tat, oder indem sie mit größeren Galaxien verschmolzen.
Mittelgroße schwarze Löcher sind im heutigen Universum recht schwer zu finden. Galaxien wie unsere Milchstraße sind längst „ausgewachsen“ und enthalten deutlich massereichere zentrale schwarze Löcher. Galaxien, die klein geblieben sind, lassen sich nur mühsam beobachten. Daher gab es bisher zwar einige vielversprechende Kandidaten, aber keinen definitiven Nachweis eines solchen mittelschweren schwarzen Lochs.
Momentaufnahme der Galaxienentwicklung
Omega Centauri ist daher etwas Besonderes. Als Kern einer ehemals eigenständigen Galaxie, die mit der Milchstraße verschmolz und dabei alle Sterne außer jenen der Kernregion verlor, wäre Omega Centauri eine Art Momentaufnahme der Galaxienentwicklung. Das schwarze Loch bliebe in der Größe erhalten, die es hatte, als Omega Centauri von der Milchstraße verschluckt wurde. Dieses Relikt könnte somit der Missing Link zwischen frühen massearmen und den späteren supermassereichen schwarzen Löchern sein.
Zunächst mussten wir das zentrale schwarze Loch in Omega Centauri aber erst einmal finden. Da es selbst nicht leuchtet, bot sich ein indirekter Weg über die Gravitationswirkung an. Wir versuchten, direkt im Zentrum schnell bewegte Sterne zu identifizieren, die das schwarze Loch umkreisen.
Die mühsame Suche erfolgte über die Erstellung eines Katalogs von mehr als 500 Archivbildern des Weltraumteleskops Hubble, die Informationen zu den Geschwindigkeiten von 1,4 Millionen Sternen enthielten. Allerdings wurden die meisten dieser Aufnahmen nicht für wissenschaftliche Zwecke aufgenommen, sondern für die Kalibrierung von Instrumenten des Weltraumteleskops. Aber mit ihrem oft wiederholten Blick auf Omega Centauri lieferten sie die ideale Datenbasis für die Suche.
Sternentanz um das schwarze Loch in Omega Centauri
Die Jagd nach schnellen Sternen in der Nähe des schwarzen Lochs war die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Doch am Ende stand nicht nur der bisher vollständigste Katalog der Bewegung von Sternen in Omega Centauri, sondern der Nachweis von gleich sieben „Nadeln“ im Archivheuhaufen: sieben verräterische, sich schnell bewegende Sterne in einer kleinen Region im Zentrum von Omega Centauri.
Dieser Fund ermöglichte es uns, andere Einflüsse als die Gravitationswirkung eines zentralen schwarzen Lochs sowie zufällig vorbeifliegende Sterne auszuschließen. Die Auswertung ihrer Bewegung belegt deutlich, dass alle sieben Hochgeschwindigkeitssterne zum Sternhaufen gehören und sich im Zentrum von Omega Centauri eine Masse mit mindestens 8200 Sonnenmassen befindet. Ein Objekt ist an der vermuteten Stelle dieser zentralen Masse aber nicht sichtbar, genau wie man es für ein schwarzes Loch erwartet.
Neben der Bestimmung der Geschwindigkeiten der Sterne halfen die Aufnahmen zudem, den Ort einzugrenzen, an dem sich die zentrale Region mit einem Durchmesser von drei Lichtmonaten in Omega Centauri befindet.
Endlich fündig geworden
Die Entdeckung ist ein Meilenstein der astronomischen Forschung. Bei früheren Studien der Zentralregionen von Omega Centauri konnte man jeweils kritisch nachfragen: Wo sind denn die Hochgeschwindigkeitssterne? Wir präsentieren jetzt die Antwort, genau wie die Bestätigung, dass Omega Centauri tatsächlich ein mittelgroßes schwarzes Loch enthält. Mit einer Entfernung von immerhin etwa 18.000 Lichtjahren ist dies das nächstgelegene bekannte Beispiel für ein massereiches schwarzes Loch. Das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße befindet sich dagegen rund 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Der jetzige Fund hat nicht nur die besten Chancen, die jahrzehntelange Debatte um das Vorhandensein eines mittelschweren schwarzen Lochs in Omega Centauri zu beenden. Er liefert auch den bislang sichersten Hinweis auf die Existenz solcher Objekte allgemein.
Um die Bewegung der Sterne im Zentrum von Omega Centauri zu präzisieren, sind Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop James Webb (JWST) geplant. Mit derzeit im Bau befindlichen neuen Instrumenten am Very Large Telescope (VLT) und dem zukünftigen Extremely Large Telescope (ELT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) wird es möglich sein, Sternpositionen noch sehr viel genauer zu vermessen als mit Hubble. Langfristig möchten wir die Beschleunigung der Sternbewegung und die Krümmung der Sternbahnen messen, um die Masse des schwarzen Lochs exakter zu bestimmen.