Alkohol macht Fliegenmännchen sexy
Alkohol in der Nahrung erhöht die Produktion von Sexualpheromonen bei männlichen Taufliegen und macht sie attraktiver für Fliegenweibchen

Auf den Punkt gebracht
- Grund für den Alkoholkonsum: Alkohol hat einen positiven Effekt auf den Paarungserfolg männlicher Fliegen.
- Attraktiv für Weibchen: Dieser Effekt ist auf die erhöhte Produktion von Sexualpheromonen nach dem Alkoholkonsum zurückzuführen, Dadurch werden alkoholisierte Männchen für Weibchen attraktiver. Männliche Fliegen werden daher stark von Alkohol angezogen, insbesondere wenn sie noch nicht verpaart sind.
- Neuronale Schaltkreise im Gehirn der Fliegen: Während zwei Geruchsrezeptoren dafür verantwortlich sind, dass kleine Mengen Alkohol männliche Fliegen anlocken, sorgt ein dritter dafür, dass übermäßige Mengen eine abschreckende Wirkung haben. Da Alkohol giftig ist, müssen die Fliegen die Risiken und Vorteile des Alkoholkonsums sorgfältig abwägen.
Die Taufliege Drosophila melanogaster wird auch Most- oder Essigfliege genannt. Sie ist im Sommer in großer Zahl an Biotonnen, an heißen Tagen auch in Lebensmittelgeschäften in der Obst- und Gemüseabteilung zu finden. Angelockt wird sie vom Duft vorrottender Früchte: Dort haben sich nämlich Mikroorganismen, vor allem Hefen, vermehrt und sind in die Frucht eingedrungen, wo sie ihren Stoffwechsel auf alkoholische Gärung umstellen. Deshalb enthält fauliges Obst beträchtliche Mengen an Alkohol.
Der Konsum von großen Mengen Alkohol ist für Menschen zweifellos schädlich. Wie sich Alkohol jedoch auf Insekten, wie die Essigfliege auswirkt, war bisher mehr umstritten. Ein Team von Forschenden der Abteilungen Evolutionäre Neuroethologie und Insektensymbiosen am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie wollten die Wirkung von Alkohol auf die Fliegen nun genauer untersuchen. „Wir zeigen in unseren Experimenten eine direkte und positive Wirkung von Alkoholkonsum auf den Paarungserfolg männlicher Fliegen. Der Effekt wird dadurch hervorgerufen, dass Alkohol, insbesondere Methanol, die Bildung von Sexuallockstoffen verstärkt. Dies wiederum macht alkoholisierte Männchen attraktiver für Weibchen und sorgt für eine höhere Erfolgsrate bei der Paarung, während der Erfolg betrunkener Männer bei Frauen eher fragwürdig sein dürfte,“ fasst Erstautor Ian Keesey die Ergebnisse zusammen.
Demnach werden besonders unverpaarte Männchen vom Alkohol angelockt. Dass sie von Alkohol angezogen werden, wird davon gesteuert, wie sie den Geruch aufspüren und in ihrem Gehirn verarbeiten. Dabei ist es für sie wichtig, richtig abzuwägen, ob die Duftkonzentration noch anziehend oder bereits abstoßend ist, um eine Alkoholvergiftung zu vermeiden.
Verschiedene neuronale Schaltkreise

„Das Besondere an unseren Ergebnissen ist, dass wir nicht nur einen, sondern gleich drei neuronale Schaltkreise gefunden haben, bei denen wir zeigen konnten, dass sie sich in Bezug auf diese Risikoabschätzung, also Anziehung und Abneigung, tatsächlich gegenseitig ausgleichen. Das heißt, die Fliegen haben einen Steuerungsmechanismus, der sie befähigt, alle Vorteile und Nutzen des Alkoholkonsums in Anspruch zu nehmen, ohne eine Alkoholvergiftung zu riskieren,“ erklärt Keesey. Neurophysiologische Untersuchungen hatten ergeben, dass die Anziehungskraft von Alkohol bei den Essigfliegen auf zwei sensorischen Eingangslinien für Ethanol bzw. Methanol basiert. Parallel dazu ruft eine dritte Linie Abstoßung bei übermäßigen und toxischen Konzentrationen hervor, insbesondere für Methanol.
„Dass verschiedene neuronale Bahnen mit entgegengesetzter Valenz für denselben Geruch kombiniert werden, um Anziehung und Abneigung basierend auf dem physiologischen Zustand auszugleichen, ist eine Seltenheit,“ sagt Keesey, der die Untersuchungen am Max-Planck-Institut durchführte und mittlerweile Assistant Professor an der University of Nebraska in Lincoln ist.
Ökologische Relevanz
Für ihre Untersuchungen kombinierten die Forschenden physiologische Untersuchungen, wie bildgebende Verfahrung, um Prozesse im Fliegenhirn sichtbar zu machen, chemische Analysen von ökologisch relevanten Umgebungsdüften sowie Verhaltensstudien, mit deren Hilfe die Attraktivität von Düften sowie der Paarungserfolg beobachtet und gemessen werden konnte. „Die Studie liefert eine der ersten umfassenden Erklärungen der Alkohol-Attraktion in einem Modelorganismus, von der Chemie zur Ökologie und vom Gehirn zum Verhalten und umgekehrt. Sie zeigt auch, wie wichtig es ist, das natürliche Verhalten von Tiermodellen und ihre Ökologie zu berücksichtigen, wenn man sie zur Untersuchung physiologischer und verhaltensbezogener Prozesse verwendet“, fasst Bill Hansson, Leiter der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie am Max-Planck-Institut, zusammen.