Die Biologisch-Medizinische Sektion
Die Biologisch-Medizinische Sektion umfasst 27 Max-Planck-Institute und sieben Forschungseinrichtungen, deren Schwerpunkte die Lebenswissenschaften in ihrer gesamten Breite und Komplexität widerspiegeln.
Das Spektrum reicht von der Untersuchung molekularer Bausteine und zellulärer Netzwerke über die Entwicklung und Alterung von Organismen bis zur Beschreibung von Ökosystemen und globalen Stoffkreisläufen. Viele Institute verfolgen einen interdisziplinären Ansatz, wie zum Beispiel das Institut für Biologische Kybernetik in Tübingen, das sich die Aufklärung kognitiver Prozesse zum Ziel gesetzt hat. Hier kommen vielfältige Methoden aus Mathematik, Informatik und den Naturwissenschaften zum Einsatz, um die zahlreichen Aspekte dieses komplexen Problems zu untersuchen. Dabei geht es von maschinellem Lernen über die Kartierung von Gehirnfunktionen bis zur Neurophysiologie kognitiver Vorgänge und die psychophysischen Grundlagen der Wahrnehmung beim Menschen. Diese methodische und thematische Breite ist typisch für viele Institute der Sektion.
Trotz der Diversität hat sich in den vergangenen Jahren ein übergeordneter Forschungsschwerpunkt in der Sektion herausgebildet – primus inter pares –, an dem zwölf Institute beteiligt sind. Dies ist die Neurobiologie. Einige Institute sind vollständig diesem Gebiet zugewandt – etwa die Institute für Neurobiologie, Experimentelle Medizin, Hirnforschung und Psychiatrie. Andere greifen die neurobiologischen Fragen in einzelnen Abteilungen auf. Hier sind das MPI für Chemische Ökologie in Jena zu nennen mit seinen Untersuchungen zur Evolution des Geruchssinns bei Insekten, das MPI für Ornithologie in Seewiesen mit seinen Arbeiten zu den neurobiologischen Grundlagen des Verhaltens bei Vögeln sowie das MPI für Biochemie in Martinsried, welches die Entwicklung von neuroelektronischen Systemen durch die Verknüpfung von Nervenzellen mit Halbleiterchips vorantreibt. Diese neurobiologische Schwerpunktbildung geht auf die entscheidenden Fortschritte zurück, welche sowohl auf methodischer als auch auf konzeptioneller Ebene bei der Erforschung der molekularen und zellulären Grundlagen des Gehirns erreicht wurden und welche nun einen Durchbruch im Verständnis übergeordneter kognitiver Prozesse versprechen, möglicherweise bis zum Heiligen Gral der Kognitionsforschung: dem menschlichen Geist. So überrascht es nicht, dass an dieser Schnittstelle zwischen Biologie und den Geisteswissenschaften die Forschungsarbeiten in der Max-Planck-Gesellschaft zunehmend intersektionell werden, mit vielen Kooperationen zwischen Instituten der Biologisch-Medizinischen und der Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaftlichen Sektion. Bestes Beispiel dafür sind die Planungen zu einem neuen Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik, welches sektionsübergreifend die Grundlagen ästhetischer Empfindungen beim Menschen erforschen soll.
Neben der Schwerpunktbildung ist die thematische Erneuerung ein zweiter essenzieller Mechanismus, durch den die Sektion ihr Forschungsspektrum beständig den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen und gesellschaftlichen Herausforderungen anpasst. Diese Erneuerung erfolgt sowohl über Neugründungen als auch über die Neuausrichtung bestehender Institute. Beispielhaft sei hier das MPI für Limnologie in Plön genannt, welches sich in den vergangenen Jahren zunehmend evolutionsbiologischen Fragestellungen zugewandt hat. Lag das ursprüngliche Profil des Instituts in der Hydrologie, mit Schwerpunkten in der Tropenökologie und Ökophysiologie aquatischer Lebensräume, so wurde 1999 mit der Abteilung für Evolutionsökologie eine neue Richtung beschritten, welche 2006 mit der Schließung der Abteilung für Ökophysiologie und der Gründung der Abteilung für Evolutionsgenetik gestärkt wurde. Diese Entwicklung veranlasste das Institut im Jahre 2007 dazu, sich in Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie umzubenennen.
Inhaltliche Erneuerung
Zwei Initiativen bestimmten die Gründungsaktivitäten der Sektion in den vergangenen fünf Jahren: das Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln und das Max Planck Florida Institute in Jupiter, USA. Ersteres wurde 2007 für die Erforschung des natürlichen Alterungsprozesses gegründet. Während viele Institutionen weltweit die klinischen und pathologischen Vorgänge des Alterns studieren, konzentriert sich das Kölner Institut auf die grundlegenden und bisher weit gehend unverstandenen biologischen Prozesse. Im Vordergrund steht daher die Grundlagenforschung an genetischen Modellorganismen wie Hefe, Fadenwurm, Fruchtfliege und Maus. Drei der vier vorgesehenen Abteilungen haben bereits ihre Arbeit aufgenommen. Die Grundsteinlegung für das neue Institutsgebäude erfolgte im Mai 2010.
Das Max Planck Florida Institute wurde 2008 als erstes Auslandsinstitut der Biologisch-Medizinischen Sektion gegründet, um die Visualisierung molekularer und zellulärer Prozesse mit den neuesten Methoden zu erforschen. Das Institut wird vollständig vom US-Bundesstaat Florida sowie von kommunalen und privaten amerikanischen Initiativen finanziert. Für die Sektion ist die biologische Bildgebung von außerordentlicher Bedeutung. Sie ist schon in mehreren Instituten verankert und erhält nun mit dem MP Florida Institute ein dediziertes Zentrum. Vom dem Standort erhofft sie sich einerseits einen intensiveren Kontakt zu amerikanischen Spitzenforschern und andererseits eine noch stärkere internationale Sichtbarkeit der Max-Planck-Gesellschaft. Der US-Standort ist daher auch ein wichtiges Element in der Internationalisierungsstrategie der Max-Planck-Gesellschaft: Inzwischen stammt mehr als ein Viertel ihrer wissenschaftlichen Mitglieder aus dem Ausland.
Neben den Institutsneugründungen konnte die Biologisch-Medizinische Sektion ihre Aktivitäten in den vergangenen fünf Jahren auch durch zwei assoziierte Forschungseinrichtungen erweitern. Das 1994 gegründete Forschungszentrum caesar, welches von einer gemeinnützigen Stiftung privaten Rechts betrieben wird, wurde 2006 im Zuge seiner Neustrukturierung und Ausrichtung auf die Neurobiologie eng an die Max-Planck-Gesellschaft angebunden. 2008 wurde durch einen Kooperationsvertrag mit der Unternehmerfamilie Strüngmann das Ernst-Strüngmann-Institut gegründet, das sich medizinisch-naturwissenschaftlichen Projekten – vornehmlich auf dem Gebiet der kognitiven Neurowissenschaften – widmen soll. Beide Einrichtungen haben die Struktur, Berufungsverfahren und Begutachtungsregelungen von Max-Planck-Instituten. Ihre Direktoren sind wissenschaftliche Mitglieder der MPG und vollständig in die Biologisch-Medizinische Sektion integriert.