Die Ribosomen-Forscherin

29. Februar 2016

Marina Rodnina, Direktorin am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, hat am 1. März den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis in Berlin erhalten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ehrte die Biochemikerin für ihre wegweisenden Beiträge zum Verständnis der Funktion von Ribosomen.

„Ich freue mich sehr, dass unsere Forschung diese große Anerkennung erfährt. Glücklicherweise habe ich ein wundervolles Team, das solche erfolgreiche Arbeiten möglich macht. Dieser Preis hilft uns, weitere herausfordernde Fragestellungen auf unserem Gebiet anzugehen“, sagte Marina Rodnina. Der Geschäftsführende Direktor des MPI für biophysikalische Chemie, Herbert Jäckle, gratulierte der Preisträgerin: „Es ist immer etwas Besonderes für Wissenschaftler, wenn sie etwas erreicht haben und andere dies anerkennen. Mit ihrer Forschung an Ribosomen hat Frau Rodnina bahnbrechende Erkenntnisse über einen grundlegenden Prozess des Lebens gewonnen – wie Zellen Proteine herstellen. Die DFG hat diese wichtigen Arbeiten mit dem Leibniz-Preis geadelt. Wir freuen uns mit Frau Rodnina riesig über diese Auszeichnung und sind stolz auf den großartigen Erfolg unserer Kollegin.“ Mit Marina Rodnina haben nun 13 Wissenschaftler, die am Institut forschen oder geforscht haben, den renommierten Leibniz-Preis erhalten.

Marina Rodnina ist es gelungen, zentrale Prinzipien der Funktionsweise von Ribosomen – den Proteinfabriken lebender Zellen – aufzuklären. Ihre Erkenntnisse haben dazu beigetragen, die hohe Präzision bei der Proteinherstellung zu verstehen. Proteine sind als „molekulare Arbeiter“ an praktisch allen zellulären Vorgängen beteiligt. Die Bauanleitungen für die Proteine sind als genetische Information in der DNA einer jeden Zelle festgeschrieben. Bei der Proteinherstellung wird diese genetische Information in eine Kette von Aminosäuren übersetzt, die sich dann zu der dreidimensionalen Struktur eines Proteins faltet. Für diese Übersetzung ist das Ribosom zuständig. Die komplexe Miniatur-Maschine besteht selbst aus über 50 Proteinkomponenten sowie drei bis vier Ribonukleinsäure-Molekülen. Mit einem Durchmesser von 20 bis 30 Nanometern (millionstel Millimeter) ist sie winzig. Ihre Funktionsweise lässt sich daher nur mit großem Aufwand untersuchen.

Rodnina und ihr Team nutzen dazu verschiedene biophysikalische Methoden wie Fluoreszenzmessungen und Verfahren, die den Ablauf schneller chemischer Reaktionen verfolgen. Ihre Abteilung Physikalische Biochemie setzt weltweit Maßstäbe, diese komplexen Methoden für die Ribosomenforschung anzuwenden und weiterzuentwickeln.

Die Wissenschaftlerin interessiert unter anderem, wie „Störfälle“ in der Proteinfabrik vermieden werden. „Der Zusammenbau der Proteine muss äußerst genau sein und Proteine mit exakt der richtigen räumlichen Struktur liefern. Nur dann sind sie auch funktionsfähig. Wir möchten verstehen, welche Prozesse am Ribosom für die Qualitätskontrolle sorgen und wie Fehler verhindert werden. Denn selbst kleine Fehler können für die Zelle fatale Folgen haben“, erklärt die Biochemikerin. Wichtige Grundprinzipien der Qualitätskontrolle hat Rodnina in der Vergangenheit bereits erfolgreich aufklären können. Ihre Forschungsarbeiten haben sich dabei vor allem auf den Zusammenbau der Proteine in Bakterien konzentriert. Unter anderem fand sie heraus, wie das Ribosom mit einem als induced fit bezeichneten Mechanismus erkennt, welche Aminosäure für jede einzelne Position im Protein die richtige ist.

Ein weiterer zentraler Gegenstand von Rodninas Forschung ist es, mehr über die strukturelle Dynamik des Ribosoms zu erfahren. „Während es Proteine herstellt, ist die Proteinfabrik ständig in Bewegung. Wir wollen diese Dynamik sichtbar machen, um die Abläufe am Ribosom besser zu verstehen.“ Außerdem untersucht die Max-Planck-Forscherin „absichtliche“ Fehler des Ribosoms: Gelegentlich muss die molekulare Maschine einen scheinbaren Fehler machen, um ungewöhnliche Aminosäuren in ein Protein einzubauen. Die Biochemikerin möchte wissen, welche molekularen Mechanismen diese Ausnahmen von der Regel steuern.

Für die nächsten Jahre hat sich die Wissenschaftlerin mit ihrem Team noch einiges mehr vorgenommen. „Wir wollen unsere Methoden zukünftig anwenden, um die Proteinproduktion in höheren Zellen wie zum Beispiel Hefen zu untersuchen, einem noch sehr viel komplexeren System.“ Die grundsätzlichen Prozesse sind denen in Bakterien zwar ähnlich, doch es gibt wichtige Unterschiede. Dies macht man sich beim Einsatz bestimmter Antibiotika zunutze: Denn solche Antibiotika blockieren nur bakterielle Ribosomen, die Proteinfabriken menschlicher Zellen bleiben dagegen verschont. Die Struktur und Funktion des Ribosoms besser zu verstehen ist daher unerlässlich, um zukünftig neue Antibiotika entwickeln zu können. „Der Leibniz-Preis gibt uns große Freiheit, diesen Plan weiter voranzutreiben“, so die Forscherin.

Neben Marina Rodnina zeichnete die DFG neun weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Forschungsbereichen aus. Unter ihnen sind auch zwei weitere Max-Planck-Wissenschaftler: Emmanuelle Charpentier vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin sowie Benjamin List vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr.

(FK/CR)

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