Patrick Cramer erhält den Louis-Jeantet-Preis für Medizin 2021
Die Auszeichnung gehört zu den renommiertesten Europas und ist mit 500.000 Schweizer Franken dotiert. Die Schweizer Louis-Jeantet-Stiftung ehrt den Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie damit für seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Gentranskription. Mithilfe dieses Kopiervorgangs erstellen lebende Zellen Abschriften ihrer Gene, die dann als Bauanleitung für die Produktion von Proteinen dienen. Im Fokus von Cramers Forschung stehen die molekularen Maschinen, RNA-Polymerasen genannt, die diesen Prozess steuern.
„Patrick Cramer hat die Strukturen vieler dieser zellulären Kopiermaschinen erstmals in atomarer Auflösung sichtbar gemacht. Er konnte aufklären, wie die RNA-Polymerasen die genetische Information übersetzen, und zeigte, wie sie dabei im Team mit anderen Proteinkomplexen zusammenarbeiten. Dank seiner richtungsweisenden Forschung können wir die Gentranskription heute im molekularen Detail verstehen. Es ist großartig, dass seine herausragenden Erfolge nun mit dem Louis-Jeantet-Preis ausgezeichnet werden“, sagt Marina Rodnina, Geschäftsführende Direktorin am MPI für biophysikalische Chemie.
Mit seiner Forschung möchte Patrick Cramer auch aufdecken, wie die zellulären Kopiermaschinen gesteuert werden. Denn die genetische Information ist zwar in allen Zellen identisch, aber sie wird ganz nach Bedarf abgerufen. Erst durch diese präzise Kontrolle der Transkription kann sich ein komplexer Organismus mit so verschiedenen Spezialisten wie Haut-, Nerven- oder Leberzellen entwickeln. Um die Transkription und Genregulation auf molekularer und zellulärer Ebene zu verstehen, kombiniert der Molekularbiologe in seiner Abteilung verschiedenste Methoden, von der Elektronenmikroskopie über biochemische Methoden bis hin zu funktionaler Genomik und Bioinformatik.
„Es ist eine besondere Ehre, den Louis-Jeantet-Preis zu erhalten. Das ist den herausragenden Leistungen vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken. Ich hoffe, dass wir bald alle geimpft sind und gebührend feiern können“, sagt Cramer.
Das Preisgeld möchte der Molekularbiologe unter anderem für seine Corona-Forschung einsetzen. Kurz nach Ausbruch der Pandemie in Europa filmte Cramer mit seiner Gruppe, wie das Coronavirus sein Erbgut verdoppelt und welche dreidimensionale Struktur die Polymerase des Erregers während des Kopierens einnimmt. Auch gelang es Cramers Team kürzlich, sichtbar zu machen, wie das Medikament Remdesivir in diesen Kopierprozess eingreift. Remdesivir wurde in Europa und den USA als erster Wirkstoff zur Behandlung von Covid-19-Infektionen zugelassen. Entsprechend große Hoffnungen ruhten darauf. Cramers Team fand heraus, dass Remdesivir zwar das Kopieren des viralen Erbguts stört, diesen Vorgang aber nicht vollständig blockiert. „Das erklärt zumindest zum Teil, warum das Medikament nicht so wirksam ist, wie man erwartet hatte“, sagt der Max-Planck-Direktor. „Eines unserer nächsten Ziele wird sein, Moleküle zu entwickeln, die die Corona-Polymerase besser hemmen können.“
Über Patrick Cramer
Patrick Cramer studierte Chemie in Stuttgart, Heidelberg sowie Bristol und Cambridge (England). Nach seiner Doktorarbeit am European Molecular Biology Laboratoryin Grenoble (Frankreich) forschte er von 1999 bis 2001 als Postdoktorand beim späteren Nobelpreisträger Roger Kornberg an der Stanford Universityin Kalifornien (USA). Anschließend wechselte er als Professor für Biochemie an die Ludwig-Maximilians-Universität München und leitete dort von 2004 bis 2013 auch das Genzentrum. Seit 2014 ist Cramer Direktor am MPI für biophysikalische Chemie in Göttingen und Leiter der Abteilung Molekularbiologie. Für seine Forschung wurde Cramer vielfach ausgezeichnet, unter anderem erhielt er den Ernst-Jung-Preis für Medizin, den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis, die Otto-Warburg-Medaille sowie das Bundesverdienstkreuz. Er ist Mitglied der Europäischen Organisation für Molekularbiologie, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der US-amerikanischen National Academy of Sciences.
Über die Louis-Jeantet-Preise
Die Schweizer Louis-Jeantet-Stiftung vergibt jährlich bis zu drei Preise an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auf dem Gebiet der Biomedizin forschen und in einem der Mitgliedstaaten des Europarates tätig sind. Patrick Cramer ist nach Bert Sakmann, Peter Gruss und Herbert Jäckle bereits der vierte Wissenschaftler am MPI für biophysikalische Chemie, dem diese Ehre zuteilwurde.