Von Laborfrust und magischen Händen
Die Physikerin Julia Zimmermann erzählt über die Gründung des Unternehmens terraplasma GmbH
Die Gründung meines Unternehmens war ein Unterfangen mit vielen Weggabelungen. Die erste war bei Max-Planck: Dort arbeitete ich mit kalten atmosphärischen Plasmen. Das sind teilweise ionisierte Gase. Ziel war es, die Heilung von chronisch infizierten Wunden zu verbessern. Meine Experimente fokussierten sich darauf, die Plasmazusammensetzung zu finden, bei der bakterielle Zellen abgetötet werden – aber nicht die eukaryotischen Zellen der Patienten. Kalte Plasmen können auf verschiedene Art und Weise erzeugt werden und produzieren einen chemischen Cocktail, der auf die Wunde appliziert wird. Das erste Gerät war zwar so groß wie zwei Kühlschränke – aber immerhin: Es funktionierte.
Nach Durchführung der ersten klinischen Studie gründete ich zusammen mit meinem Vater das Unternehmen terraplasma, mit dem Ziel, ein Plasmagerät zu entwickeln, welches klein und günstig genug ist, um es einfach auf den Markt zu bringen. Doch dieser Prozess – von der Idee zum Prototyp und weiter zum Produkt – ist wesentlich aufwendiger, langwieriger und anstrengender, als ein Paper zu schreiben. Mit der Gründung ist es nämlich noch lange nicht getan. Man braucht Geld und das richtige Team. Bei einem Business-Angel-Tag vernetzten wir uns dann mit anderen Gründern, die Medizinprodukte entwickeln konnten – die Tochterfirma terraplasma medical war geboren. Eine glückliche Fügung, denn das heutige Handgerät brachten wir in einer Rekordzeit von 1,5 Jahren zur Marktreife.
„Ihr werdet mit den Aufgaben wachsen“
An der Forschung fand ich immer alles toll, denn es ist schön, mit anderen Menschen zu arbeiten, die ebenso analytisch denken, neue Dinge erforschen wollen, Paper schreiben und positive Resonanz geben. Ich bin sehr dankbar, dass ich selbst heute noch Zeit im Labor verbringen kann. Meine Mitarbeitenden sagen, ich hätte magische Hände. Man holt mich immer, wenn über längere Zeit etwas nicht funktioniert. Ich komme dann ins Labor, fasse ein paar Sachen an – alle sind der Meinung, ich hab nichts anders gemacht –, aber auf einmal funktioniert‘s. Dafür habe ich eine miese Aura bei Computern, wir kommen einfach nicht gut miteinander zurecht, und ich darf auch nicht mehr in die Nähe unseres Servers. Aus meiner Zeit als Forscherin habe ich auch eine gewisse Hartnäckigkeit mitgenommen: Der Laborfrust ist uns allen bekannt. Aber wenn es dann läuft, sitzt man die ganze Nacht und produziert Daten, die zu den schönsten Papern werden. Ich hätte es während meiner Zeit bei Max-Planck nicht gedacht, aber dieses Hochgefühl ist durchaus vergleichbar mit dem, wenn man als Unternehmerin das erste Mal das eigene Produkt in den Händen hält.
Natürlich hat die Corona-Krise große Umsatzeinbußen mit sich gebracht – vorher waren Investoren und Partner nicht so zurückhaltend wie heute. Da wir uns sehr stark auf Forschung und Entwicklung konzentrieren, hat das Homeoffice bei uns manche Projekte deutlich verlangsamt, und einige Mitarbeiter*innen sind aufgrund einer Covid-Erkrankung teilweise lange ausgefallen. Wir sind aber noch gut weggekommen. Mein Vater musste dann aber aufgrund seines Alters und seiner Vorerkrankungen komplett ins Homeoffice gehen – das heißt, ich hatte die Firma auf einmal alleine vor Ort zu leiten. Vor einem Jahr habe ich einen neuen Geschäftsführer bekommen – dies erleichterte alles. Ich schaue immer, dass ich rechtzeitig heimkomme, und ich arbeite normalerweise auch nicht mehr als 40 Stunden die Woche, aber wenn viel ansteht, arbeite ich nachts. Work-Life-Balance bedeutet bei mir zwar viel Work, aber es ist nicht mehr so viel wie früher – so fair muss ich als alleinerziehende Mutter gegenüber meiner elfjährigen Tochter sein. Wenn ich anderen alleinerziehenden Eltern einen Tipp mit auf den Weg geben darf, dann diesen: Ihr werdet mit den Aufgaben wachsen, ihr werdet Lösungen finden.