Epigenetischer Regulator steuert Stoffwechsel in Mitochondrien
Das Enzym MOF reguliert nicht nur die Gene im Zellkern, sondern modifiziert auch Stoffwechselproteine in den Mitochondrien
Max-Planck-Forschende haben einen neuen Mechanismus entdeckt, der die Funktion der Mitochondrien reguliert. Dabei spielt das Enzym MOF eine entscheidende Rolle, dass die „Kraftwerke der Zelle“ gesund bleiben und gut funktionieren. MOF verändert das Molekül COX17, das an der Energieproduktion beteiligt ist. Wenn diese Modifikation aufgrund eines MOF-Mangels nicht richtig erfolgt, kann es zu dramatischen mitochondrialen Defekten kommen und die Fähigkeit, Energie zu produzieren, beeinträchtigt werden. Um die klinische Relevanz dieser Ergebnisse zu unterstreichen, zeigte das Team auch, dass Zellen von Patientinnen und Patienten, die an einer durch Mutationen in MOF verursachten Entwicklungsstörung leiden, ebenfalls Zellatmungsdefekte aufweisen, die durch Intervention unter anderem mit acetylierungsmimetischem COX17 verbessert werden können.
Die Steuerung des Zellstoffwechsels beruht auf einem koordinierten und möglichst harmonischen Zusammenspiel von Zellkern und Mitochondrien. Einerseits bilden die Mitochondrien die Drehscheibe für die Produktion wichtiger Stoffwechselprodukte, die nicht nur zur Deckung des Energiebedarfs der Zelle benötigt werden, sondern auch als Bausteine genetische und epigenetische Funktionen im Zellkern dienen.
Auf der anderen Seite wird, auch wenn Mitochondrien eigene DNA vorhalten, der größte Teil der mitochondrialen Stoffwechselenzyme durch das Genom des Zellkerns kodiert. Das bedeutet, dass die Funktion dieser beiden Organellen in hohem Maße voneinander abhängig ist. Die Kommunikation zwischen den Organellen wird durch Moleküle unterstützt, die zwischen den beiden Kompartimenten hin und her wandern. Die Histonacetyltransferase MOF, ein Enzym und klassischer epigenetischer Regulator, ist ein solcher Wanderer zwischen diesen beiden Welten.
Ein Team von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik hat nun in Zusammenarbeit mit Forschenden der Universitäten Freiburg und Bonn den entscheidenden Einfluss von MOF auf die Zellphysiologie und -funktion in Bereichen außerhalb des Zellkerns aufzeigen können. Die Studie belegt die zentrale Rolle von MOF bei der Aufrechterhaltung der mitochondrialen Integrität durch einen Prozess, der als Proteinacetylierung bezeichnet wird. Die Ergebnisse werfen ein Licht auf die spezifische Maschinerie, die für die Regulierung der Acetylierung von Proteinen im Mitochondrium verantwortlich ist, und vertiefen das Verständnis, wie Zellen ihre Stoffwechselproduktion fein abstimmen.
MOF als Brückenbauer zwischen Epigenetik und Stoffwechsel
„MOF ist ein hoch konserviertes Protein. Das heißt, wir finden es in der Fruchtfliege Drosophila, in der Maus und im Menschen. Zusammen mit anderen Molekülen bildet es einen Komplex, der Histonproteine acetyliert und so die Transkription aktiviert. Im Zellkern ist unsere DNA um diese Histone gewickelt und bildet Chromatin. Durch die Aktivität von MOF werden Acetylgruppen an die Histone angehängt, wodurch sich die Verpackungsdichte des Chromatins lockert, die DNA zugänglicher wird und die Gene abgelesen werden können“, erklärt Asifa Akhtar. Akhtar ist Direktorin am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und Mitglied des Exzellenzclusters CIBSS - Centre for Integrative Biological Signalling Studies an der Universität Freiburg.
In früheren Studien konnte das Labor von Asifa Akhtar MOF und mehrere Partnerproteine in Mitochondrien nachweisen. Die genauen Auswirkungen der enzymatischen Aktivität von MOF auf das Mitochondrium und den Stoffwechsel blieben jedoch unbekannt. „Die Beobachtung, dass MOF außerhalb des Zellkerns vorkommt, hat unser Interesse geweckt. Wir wollten herauszufinden, was diese Acetyltransferase mit den Proteinen der Mitochondrien und damit auch die Proteinacetylierung als generelles Phänomen in Mitochondrien zu untersuchen“, sagt Sukanya Guhathakurta, Erstautorin der Studie.
Protein-Acetylierung jenseits der Histon-Proteine
Nun hat die Zusammenarbeit zwischen dem Team von Asifa Akhtar und den Gruppen von Thomas Becker (Universität Bonn), Nikolaus Pfanner (CIBSS, Universität Freiburg) und Bettina Warscheid (CIBSS, jetzt Universität Würzburg) eine zentrale Rolle für MOF bei der Regulierung der mitochondrialen Physiologie und Funktion zeigen können. „In unseren Studien an Mäusen haben wir eine spezielle Gruppe von mitochondrialen Proteinen identifiziert, deren Acetylierungsstatus sich beim Verlust von MOF ändert, was zu einer Kaskade von mitochondrialen Defekten führt – einschließlich Fragmentierung, weniger Einstülpungen der inneren Membran (sog. Cristae) und beeinträchtigter oxidativer Phosphorylierung“, sagt Guhathakurta.
Mitochondrien sind die „Kraftwerke der Zelle“. Ihre Funktion ist entscheidend für die zelluläre Energieproduktion und für viele physiologische Prozesse. Eine Störung ihrer Physiologie und Funktion wurde bei verschiedenen Krankheiten wie Krebs, Herzversagen und neurodegenerativen Erkrankungen nachgewiesen.
Es ist wenig darüber bekannt, wie die Acetylierung von mitochondrialen Proteinen deren biochemische Eigenschaften und somit Funktionen verändert. Das Freiburger Team konnte zeigen, dass COX17 ein Zielmolekül der von MOF vermittelten Acetylierung ist. COX17 ist am Aufbau eines wichtigen Teils des Energiegewinnungsprozess in den Mitochondrien beteiligt, dem so genannten Komplex IV, der für die Energiegewinnung durch oxidative Phosphorylierung in den Zellen unerlässlich ist. „Wir konnten zeigen, dass die Acetylierung von COX17 dessen Funktion stimuliert, was die Bedeutung der Proteinacetylierung für die Regulation der oxidativen Phosphorylierung unterstreicht. Der Verlust der Acetylierung hingegen beeinträchtigt die Funktion, was somit einen bisher nicht gekannten Funktionsgewinn durch die Acetylierung eines mitochondrialen Proteins darstellt. Dies ist ein wichtiger Schritt für das Verständnis, wie epigenetische Regulatoren wie MOF den zellulären Stoffwechsel beeinflussen“, sagt Asifa Akhtar.
Patienten mit Mutationen in MOF weisen mitochondriale Defekte auf
Diese Entdeckungen haben weitreichende Implikationen, die darauf hindeuten, dass das Gleichgewicht der Proteinacetylierung in den Mitochondrien ein entscheidender Faktor für den Schutz der Zellen vor dem Zusammenbruch des Zellstoffwechsels sein könnte. Es stellt herkömmliche Vorstellungen zur Rolle epigenetischer Faktoren und deren Auswirkungen auf Zellfunktionen infrage.
Die Ergebnisse vertiefen aber nicht nur unser Verständnis der Biologie der Mitochondrien. Sie werfen auch neues Licht auf molekulare Prozesse, die bestimmten Erkrankungen mit Entwicklungsstörungen zugrunde liegen. Eventuell bieten Sie auch Ansatzpunkte für zukünftige Therapiemöglichkeiten. Das Team hat seine an Mäusen gewonnenen Erkenntnisse bereits auf menschliche Patienten ausgeweitet, die Mutationen in der kodierenden Sequenz des MOF-Gens aufweisen. Diese Patienten leiden an globalen Entwicklungsverzögerungen, geistiger Behinderung, Epilepsie und anderen Entwicklungsanomalien. „Es hat uns gefreut zu sehen, dass wir die Zellatmungsdefekte in den Fibroblasten von Patienten teilweise rückgängig machen konnten, in dem wir mit COX17 die Acetylierung imitiert bzw. mitochondriales MOF genutzt haben“, sagt Sukanya Guhathakurta über die Zellkulturexperimente, die sie mit dem Patientenmaterial durchgeführt hat.
Die Freiburger Forschenden sind überzeugt, dass diese Erkenntnisse das Interesse der medizinischen Wissenschaft wecken könnten. Es ist bekannt, dass Störungen in den Mitochondrien zu einer Reihe von Krankheiten beitragen, und diese Freiburger Studie zeigt eine potenziell wichtige Verbindung zwischen mitochondrialer Fehlfunktion und Entwicklungsstörungen auf.
SG/MS/AA/MR